Es ist Freitagnachmittag und die wunderschöne Herbstsonne scheint wärmend ins Gesicht. Ich möchte heute unseren Pfarradministrator Beat Muntwyler interviewen. Seit 15 Jahren ist er nun in Amriswil und dieses Dienstjubiläum bietet die Gelegenheit unserem Seelsorger bei einem Herbstspaziergang ein paar Fragen zu stellen. Bei 15 Dienstjahren drängen sich 15 Fragen auf - manche davon sind eher zum Schmunzeln gedacht; andere lassen uns vielleicht Beat Muntwyler etwas besser kennenlernen; wiederum andere sind tiefsinniger. Vielleicht, werter Leser, geschätzte Leserin, machen Sie gleich mit. Überlegen Sie sich, wie Sie selber auf diese Fragen antworten würden.

Zum Einstieg etwas Einfaches. Kurze Fragen und kurze Antworten.

Meer oder Berge?
Eindeutig Meer, also eigentlich eher See.

Kaffee oder Tee?
(lacht) Kaffee. Tee auch, aber eigentlich nur, wenn ich krank bin.

Weihnachten oder Ostern?
Ostern. Weihnachten ist sicherlich auch sehr schön, hat aber manchmal etwas von einem Volksfest; Ostern hingegen erlebe ich immer inniger.

Wenn du eine beliebige Aktivität zu einer olympischen Disziplin machen könntest. Bei welcher hättest du die größte Chance eine Medaille zu gewinnen?
Humor ist eine spannende Disziplin. Mit meinem Humor trete ich zwar ab und zu in Fettnäpfchen, aber Humor - manchmal auch Galgenhumor -  ist eine himmlische Disziplin mit dem Ziel das Irdische zu relativieren und alles mit anderen Augen zu betrachten. Diese „Sportdisziplin“ hat viel mit Vertrauen zu tun: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes“ (Röm,8). Eine Medaille, die aussagt, dass das richtige Mass und die richtige Art Humor gelebt wurden, habe ich nicht verdient, aber über einen Trostpreis würde ich mich freuen.

Wenn du eine geschichtliche Person zum Essen einladen könntest, welche wäre das?
Am 13. Oktober vergangenen Jahres ist Pater Oskar Lang gestorben. Er hat mich als geistlicher Vater während mehr als 30 Jahren bei jährlichen Exerzitien und in vielen Gesprächen begleitet. Seine spirituelle Ausrichtung könnte man mit folgenden Worten zusammenfassen: Mit Christus in uns den Willen des Vaters tun. In seinen letzten Lebensjahren hat er Luisa Piccarreta entdeckt, die eine Botschafterin und Mystikerin des göttlichen Willens war. Diese zwei Personen würde ich gerne zum Essen einladen, wobei es wohl besser wäre, wenn ich nicht selber kochen müsste. Ich bin mir nicht sicher, ob sie bei meinen Kochkünsten noch sagen könnten: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat...“ (Joh 4, 34).

Wenn du am Ende deiner Tage Gott gegenübertrittst: Was wünschst du, dass er zu dir sagt?
Schwierige Frage. Ich würde mich sicherlich über ein „Willkommen, trete ein!“ freuen. Schön wäre es, wenn der liebe Gott auch sagen würde: „Ich vergebe Dir alles, was du falsch gemacht hast, und ich freue mich, dass durch Deine Verkündigung, Dein Leben und das Feiern der Sakramente viele Menschen den Weg zu mir gefunden haben. Dein Leben war fruchtbar.“

Was ist deine schönste Kindheitserinnerung?
Da taucht bei mir ein wunderschönes Bild auf. Wir hatten einen Sitzplatz mit einem grossen Tisch zu Hause. Wenn ich da sitzen konnte mit meinen Schwestern, ihre Freunden und mit der Familie – das war einfach nur schön. Dasitzen, gemeinsam essen, gemeinsam trinken, miteinander reden, lachen – das Bild hat etwas Mediterranes. So stellt man sich doch eine italienische Tavolata vor!

Wofür bist du dankbar?
Ich bin dankbar dafür, dass ich heute immer noch Priester bin. Dass ich im Glauben weiterwachsen konnte und jeden Tag darin auch wirken kann.

Welchen Wunsch möchtest du dir in den nächsten 5 Jahren noch erfüllen?
Mit meinem „äusseren Leben“ bin ich wunschlos glücklich und ich habe keine konkreten Pläne. Gerne würde ich in der Heiligkeit Fortschritte machen. Ich arbeite daran, dass Christus alles in mir tun darf - denken, gehen, stehen, essen, reden, trinken, atmen, usw. Dafür werden 5 Jahre aber wohl nicht ganz ausreichen...

Was ist die lustigste Sache, die du in einem Gottesdienst erlebt hast?
Nun, ich weiss nicht, ob es wirklich lustig ist, aber mir kommt dabei eine Szene in den Sinn, die ich vor inzwischen vielen Jahren erlebt habe. Ich war in einem Gottesdienst in einem Altersheim in Riehen bei Basel. Nun ist es so, dass während der Predigt einige Gottesdienstbesucher anderen Gedanken nachgehen, manchmal ungeduldig werden, wenn die Predigt für sie zu lange geht, sie gähnen auch, schauen immer wieder auf die Uhr und manchmal nicken sie sogar ein!
Nun, damals war es eben auch so. Aber eine Frau hörte mir sehr genau zu, sie schaute mich an und sie nickte immer wieder heftig. Ich fühlte mich bestätigt und war sehr erfreut über ihre Teilnahme. Meine Freude hielt jedoch nicht sehr lange an – nach dem Gottesdienst merkte ich, dass die arme Frau auch sonst immer nickte. Ihr Nicken hatte gar nichts mit meiner Predigt zu tun gehabt. Das hat mich dann doch nachdenklich gemacht: Vielleicht stimmt mein Bild gar nicht, vielleicht täuscht die äussere Erscheinung öfters als wir meinen.

Welche war deine beste Predigt?
Das weiss ich wirklich nicht. Aber wenn ich eine Predigt beende, mich zu meinem Sitz begebe und dabei denke: „Was ich da gesagt habe, ist auch für mich wichtig und gut. Daran sollte ich wohl selber arbeiten und nicht nur darüber predigen. Das hilft mir weiter, das regt zum Nachdenken an, das nehme ich mit.“ - dann habe ich das Gefühl eine gute Predigt gehalten zu haben.

Welchen Papstnamen würdest du dir im Fall einer Wahl geben?
(lacht) Wenn das eintreten würde, würde ich Johannes Benedikt heissen wollen. Die Anlehnung ist offensichtlich: Johannes Paul II war der Papst meiner Kindheit und meiner Jugend. Er hat mit seinem Feuer und seinem marianischen, von Louis Marie Grignion geprägten Charisma wesentlich dazu beigetragen, dass ich heute Priester bin. Ich bewundere seine Fähigkeit die Menschen für sich zu gewinnen. Er war dynamisch und mystisch zugleich. Benedikt XVI hingegen prägte mich während meines Studiums. Ich bin fasziniert von der Klarheit seiner Gedanken, von der Präzision seiner Sprache. Für mich ist er einer der grossen Theologen unserer Zeit.

Und wenn wir schon dabei sind. Wie würde dein Wahlspruch lauten?
„Meine Seele preist die Grösse des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter.“ (Luk, 1, 46). Maria, die Anwältin meines guten Willens, ist die Seele meiner Seele und preist mit und in mir Jesus Christus, unseren Herrn, der uns seinen Hl. Geist schenkt indem wir den Vater loben und die ganze Welt dankend in dieses Lob einschliessen. Ausführlichere Erklärungen dazu würden natürlich im Laufe meines Pontifikates folgen J.

Nun habe ich noch drei Sätze, die du gerne für mich zu Ende formulieren darfst.

Ich liebe Amriswil, weil...
... ich die Durchmischung liebe. Hier hat es Menschen jeglicher Religionszugehörigkeit und auch die Katholiken heben oft unterschiedliche Wurzeln und bringen ihre Traditionen in die Kirche ein. Das macht meinen Alltag spannend und abwechslungsreich.

Mein erster Eindruck von Amriswil war, ...
... dass ich hier willkommen bin. Ich habe erlebt, dass ich offen aufgenommen wurde. Und dieser Eindruck hat bis heute angehalten. Es gibt immer wieder Menschen, die mitarbeiten und den Glauben leben.

Mein Lieblingsort in der Kirche ist ...
... hinter dem Altar. Wenn ich zum Altar trete, trete ich als Person zurück. Dann spreche ich im Namen Jesu, und diese Worte sind die wichtigsten.

 

Das Interview führte Enriqueta Taboas Saragoni.